Montag, 21. September 2020

Fahrradtage im Trentino 12. - 16. September 2020

Das hatte ich mir schon lange vorgenommen, aber nie verwirklicht: Mit einer Reisegruppe von einem Veranstalter organisiert in einen Fahrradurlaub zu fahren. Leitner Reisen machts möglich. Zwar sitzt Leitner im Fränkischen, aber man kann auch in Stuttgart zusteigen, und dort wohnt mein Freund Rolf. Dumm ist nur, dass der Zustieg in der Nacht um 4.45 Uhr am Flughafen Echterdingen erfolgt. Und da muss man erst mal hinkommen. Zum Glück fuhr in der Nacht von Freitag auf Samstag noch eine S-Bahn.


Es schien mir ein gutes Omen, dass neben Leitner Tours auch noch Arzt-Reisen mit an Bord war. Zu meiner großen Überraschung war mir ein Einzelplatz ganz vorne zugewiesen worden. So hatte ich beste Sicht während der Fahrt über den Brenner.. Nach 11 1/2 Stunden konnten wir endlich unsere Fahrräder besteigen und das Eissacktal hinunter nach Bozen radeln. Von den 28 Mitreisenden hatten sich mehr als 2/3 mit E-Bikes ausgerüstet.


Unsere Radbegleiterin Martina suchte gleich zu Beginn einen zuverlässigen Schlussfahrer, und streberhaft verschaffte ich mir den Posten. Ich wurde mit einem Funkgerät ausgestattet, welches leider nur sehr selten funktionierte. Aber ich verstand mich mit Martina auch ohne Funkkontakt ausgezeichnet.


Und so war ich jetzt zum Lumpensammler geworden, der die zurück gebliebenen Radler aufsammeln und wieder zur Gruppe zurück führen musste.
Dass ich diesen Job erwischt hatte, war mein Glück. Denn ich hätte es vermutlich gar nicht ausgehalten, in einer Reihe von 28 Radlern brav meine Position einzuhalten. Nebeneinander Fahren war wegen der Enge des Weges gefährlich. Deswegen bewegten sich alle im Gänsemarsch hintereinander. 



Bis eben auf diejenigen, die noch ein besonderes Foto schießen wollten, oder kurz das Gebüsch aufsuchten, um sich dort von Lasten zu befreien oder denen das Tempo zu hoch war, und die deshalb hinterher trödelten. Und um eben diese Gruppenmitglieder kümmerte ich mich. Mit Elektropower schob ich den ein oder anderen nach vorn. Bald schon wurde ich gefragt, ob ich meinen Job professionell ausübe und dafür bezahlt werde. Nun, zuviel der Ehre. Aber alles in allem hat es mir Spaß gemacht, etwas Verantwortung zu übernehmen.


Unser hübsches kleines Hotel lag in Auer, nur wenige Kilometer von Neumarkt, der Partnerstadt von Rheinfelden entfernt. Und so stellte ich am zweiten Tag bei einem Individualausflug in die Berge fest, dass ich in dieser Gegend schon einmal mit der Volkskunstbühne Rheinfelden gewesen war. Wir hatten in Neumarkt zwei Vorstellungen von „Cinderella passt was nicht“ gegeben. Leider waren sie schlecht besucht. Ich kannte auch niemanden mehr von diesem Besuch. Doch das machte die Bekanntschaft mit Martina wett, unserer „Radreisebegleiterin“. Sie stammt aus Tramin, ihr Mann aus Neumarkt. Und sie wusste viele interessante Geschichten über ihre Heimat zu erzählen.
Im ersten Weltkrieg war die Region zwischen Habsburg und dem Königreich Italien hart umkämpft. Bei Kriegsende wurde Südtirol den Italienern zugeschlagen, und Mussolini hatte in den Zwanziger Jahren nichts Besseres zu tun, als die Region zu italianisieren. Er holte aus Süditalien jede Menge Gastarbeiter her und siedelte sie dort an. Er baute Schwerindustrie auf als Gegengewicht gegen die vorherrschende von Deutschen betriebene Landwirtschaft. Hitler schließlich handelte mit dem italienischen Diktator einen Vertrag aus, bei dem die deutschsprachige Bevölkerung „heim ins Reich“ geholt werden sollte. 185000 Menschen erklärten sich bereit, Südtirol zu verlassen. Versprochen wurde Ihnen ein gleichwertiger Landersatz in Galizien. Diese Pläne konnten gottlob nicht realisiert werden. 45000 Deutschstämmige, die bei Kriegsende Südtirol verlassen hatten, drängten wieder zurück in ihre Heimat.
Die Spannungen zwischen Italienern und Deutschstämmigen konnten erst in den Achtziger Jahren beigelegt werden, nachdem Partisanen durch Strommasten Sprengungen lange Zeit für Unruhe gesorgt hatten. Die Region erhielt eine weitgehende Autonomie von der Zentralregierung. Deutsch und Italienisch sind gleichberechtigte Amtssprachen. Alle Ortschaften haben eine deutsche und eine italienische Bezeichnung. Je nach Bevölkerungsmehrheit steht der deutsche oder der italienische Name vorne auf dem Ortsschild. Siehe oben „Auer - Ora“.


Bei fünf Ausfahrten wurden wir meistens am Morgen mit dem Bus zum Ausgangspunkt der Tour gebracht, und am späten Nachmittag nach 50 bis 60km wieder mit dem Bus abgeholt. Dies hatte den unschätzbaren Vorteil, dass die Touren meist bergab entlang eines Flusslaufs verliefen. Südlichster Punkt war Riva am Gardasee. Abgeholt wurden wir dann in Arco, einem malerischen Städtchen mit imposanter Burganlage.




Jetzt wird es allmählich Zeit, dass ich euch ein paar Bilder zeige. Ich weiß ja, dass einige von euch lieber Bilder gucken als Text lesen.







So, und die letzten Bilder bringen mich auf das Thema „Obst und Wein“. Südtirol und das Trentino sind berühmt für ihre guten Weine und die köstlichen Äpfel, die in alle Welt exportiert werden. Es war die Zeit der Apfel- und Traubenernte. Und weil uns die Bäuerin bei der Ernte als willkommenen Touristen in Corona Zeiten Äpfel schenkte, und weil wir dem Wein beim Abendessen zusprachen, konnten wir an diesen Genüssen teilhaben.


Die roten Trauben, die in Südtirol angebaut werden, sind Vernatsch und Lagrein. Von beiden brachte ich ein Fläschchen mit nach Hause. Und ich kann euch sagen: Der Wein schmeckt ausgezeichnet!




Jetzt zeig ich euch noch ein paar Bilder von der Landschaft und von unserem Fahrer Martin, der uns jeden Tag mit einem neuen Dress entzückte.






Es gäbe noch vieles Schöne zu berichten. Aber selbst bei guter WLAN Verbindung sollte ein Absturz des Blogs nicht provoziert werden.