Freitag, 16. August 2019

Geschichten aus Leipzig

Sei es, weil Geschichten Erzählen mehr Zeit und Konzentration benötigt, als Bilder auf den Blog zu stellen. Sei es, weil einige Freunde mir gestanden hatten, dass sie meinen Blog nur wegen der Bilder anschauen würden. Ich bin euch bisher die Geschichten schuldig geblieben. Das will ich nun nachholen. Zumal ich doch zwei Stadtführungen „Geschichte und Geschichten“ mitgemacht habe. Bei zwei verschiedenen Stadtführern. Einem Jungen und eloquenten, den ich euch schon vorgestellt habe, und einem älteren Ursachsen, den ich euch jetzt vorstellen werde.
Ö

Ursachse nenne ich ihn deshalb, weil er resignativ-klagend dennoch der festen Überzeugung war, die Welt habe ihren Mittelpunkt in Leipzig und nirgendwo sonst. Alles irgendwie Bedeutsame stamme aus Leipzig, auch wenn es gegenlautende Stimmen darüber gäbe.
Ihr merkt schon, diesen Sachsentyp mit seiner weinerlichen, aber gleichzeitig selbstgerechten Art, konnte ich nicht gut leiden. Dennoch hat es sich gelohnt, zweiStadtführungen mit dem gleichen Titel zu machen, weil ich beide Male ganz unterschiedliche Informationen erhielt.
Die Leipziger halten sich für die besseren Berliner. Ihre Stadt sei älter, schöner sowieso, und alles liege viel näher zusammen als in Berlin. Nun, das stimmt tatsächlich. Das Zentrum ist nur einen Quadratkilometer groß, und fast alle wichtigen Gebäudesind dort versammelt. Ausnahme: Das Völkerschlacht Denkmal. Dieses Monstrum steht im Süden der Stadt.

Es ist 91 m hoch und soll einen phantastischen Ausblick bieten. Auf den habe ich verzichtet und mir lieber den Südfriedhof angeschaut.

.... und das Panometer, in dem gerade die Ausstellung „Carola‘s Garten“ von Yadegar Asisi zu sehen war.



In Carola‘s Garten widmet er sich den vielfältigen Lebensformen in einem verwilderten Stadtgarten.


Phantastisch! Doch zurück zu Leipzig und seiner Geschichte. Die meisten Einwohner hatte die Stadt um die Jahrhundertwende mit mehr als 700 000 Bewohnern. Die wenigsten nach der Wende mit 400 000. Heute sind es wieder mehr als 600 000, und die Stadt wächst weiter. Viele Studenten zieht es nach Leipzig. Die Alternativen, die Künstler und die Hausbesetzer finden hier eine Heimat und noch andere skurrile Szenen.

In diese düstere Fabrikhalle verirrte ich mich auf einem Streifzug und stand unversehens vor drei schwarzgekleideten Jungmenschen, von denen einer mit einer Federmaske maskiert war.


Erschrocken gab ich Fersengeld.
Doch zurück zur Innenstadt. Leipzig‘s Spezialität sind die „Durchfahrhäuser“ bzw. Passagen. Die gibt‘s zwar auch in Mailand und Paris, hat aber hier mit der Eigenschaft Leipzig‘s als Messestadt zu tun. Leipzig liegt am Schnittpunkt zweier Handelsstraßen, der Via Regi und der Via Imperi. Schon vor 1000 Jahren war Leipzig Messestadt, und diese Messe spielte sich in den Durchfahrhäusern der Innenstadt ab. Die Waren wurden mit Fuhrwerken ins Haus hinein geschafft, und weil es dort keine Wendemöglichkeit gab, führen die Wagen geradeaus weiter hinaus. Diese ehemaligen Messehäuser sind heute Einkaufspassagen und für Touristen äußerst attraktiv.

Mitten in einem solchen Haus ergeben sich spektakuläre Ausblicke zum Himmel. In der Mädler Passage befindet sich Auerbachs Keller, der im Faust verewigt wurde, und heute ein Touristen Magnet ist.

Auf obiger Skulptur sieht man die von Mephisto verzauberten Studenten, die sich an die Nase gehen, weil sie sie für eine Weintraube halten.
Leipzig steckt voller Geschichten. Leibnitz war hier, Bach, Mendelssohn, Schuhmann und Wagner sowieso, aber auch Heisenberg und Angela Merkel. Viele haben im Nikolai Kolleg studiert, gleich neben der Nikolai Kirche, von dem die Montags Demonstrationen ihren Ausgang nahmen.

Vor der Nikolaikirche würde den friedlichen Demonstrationen mit einer offenen Säule ein Denkmal gesetzt. Sie ist den Säulen in der Nikolai Kirche nachempfunden und symbolisiert die friedliche Öffnung des Massenprotests.

Die Montagsmärsche hatten sich aus der Friedensbewegung Anfang der 80iger Jahre entwickelt, die in West- und Ostdeutschland vor allem in den Kirchen Unterstützung fanden. Zur Friedensmesse am Montag um 17 Uhr in der Nikolai Kirche kamen immer mehr Menschen, um damit auch gegen das Regime zu protestieren. Schließlich wurde die Bewegung so stark, dass sie das Regime hinweg fegte.
Auch Johann Sebastian Bach schrieb Geschichte in Leipzig. Beim Bewerbungsverfahren um die Kantorstelle in der Thomas Kirche wurde er nur Vierter. Die drei vor ihm platzierten Bewerber entschieden sich alle für lukrativere Stellen in anderen Städten, und so besetzte der schaffensfreudige Bach die Stelle. Er schrieb nicht nur für jede Sonntagsmesse eine neue Kantate, sondern setzte auch noch zwanzig Kinder in die Welt. Dennoch wurde er nach seinem Tod schnell vergessen und erst wieder durch Mendelssohn in Erinnerung gebracht. Er setzte ihm aus eigenen Mitteln ein Denkmal.

Ungleich prächtiger fällt die Statue aus, die ihm die Stadt direkt vor der Thomas Kirche gesetzt hat.

Übrigens, der offene Knopf an der Weste soll darstellen, dass sich der rastlose Bach oft keine Zeit für das Aussehen nahm.


Ich besuchte auch das Bundesverwaltungsgericht, welches im Gebäude des ehemaligen Deutschen Reichsgerichts untergebracht ist. Auf dem obigen Bild ist der Sitzungssaal zu erkennen, in welchem der Reichstagsbrandprozesse verhandelt wurde.
Es folgen zwei Aufnahmen aus dem City Hochhaus, in dessen Top View Restaurant ich fein zu Mittag aß.



Und jetzt schließe ich den Blog über Leipzig ab, weil er mir schon zweimal abgestürzt ist.








































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