Mittwoch, 21. Juni 2017

Familienurlaub in Heinzenberg

Mit Familie hatte ich es eigentlich nie. Das hing mit unmöglichen Verwandten genauso zusammen wie mit der Auflösung meiner Kernfamilie. 
Mit Pia bin ich nun in eine neue Familie integriert, die ihr Zusammensein auf vielfältigste Weise feiert. Diesmal ging es mit den Schwiegereltern, Schwester Bettina und ihrem Partner Stefan in die Bergwelt von Graubünden nach Heinzenberg und dort in die Feriensiedlung Aclas. 
Drei Ferienhäuser für drei Paare - das hat schon was Luxuriöses! Und wahrlich großzügig sind die Häuser eingerichtet. In jedem findet sich eine voll eingerichtete Küche mit Backofen und Spülmaschine, ein Flachbildschirm mit Satelliten TV, WLAN, großzügigste Raumverhältnisse und vor allem eine atemberaubende Aussicht auf das Rheintal. 
Die Feriensiedlung liegt auf 1500m Höhe, und es gibt drum herum nur Wiesen, Kühe und weitere Chalets. Was also tun?
Wandern kommt für mich wegen der Knochen nicht mehr in Frage. Deshalb hatte ich mein Mountainbike mitgenommen. Aber auch da gibt es bei jeder Radumdrehung Höhenmeter zu bewältigen. Schon am Sonntag brach ich mit Schwager Stefan zu einem kleinen Ausritt auf. Zunächst stramme 250 Höhenmeter zum Berggasthaus Obergmeind, von dort über eine wilde Strecke zum Glaspass (1900m) und zurück nach Obergmeind, wo sich die ganze Familie zur Rast zusammenfand. 
Danach ging es noch mit Bike bzw. Auto zum Bischolpass mit den drei Seen auf 2000m, und anschließend über einen Single Trail bergab zum Hüsli. Schon am ersten Tag waren so weit mehr als 500 Höhenmeter z.T. über Stock und Stein zusammengekommen.
Stefan fährt ein xc-Carbon Rad von Price - und so viel muss es wohl auch gekostet haben- und ich schleiche mit meinem Schnäppchen Rad mit 29-iger Rahmen von Cannondale hinterher. Hinten hängt eine Satteltasche schlapp herab, und in der befinden sich so überflüssige Sachen wie Sonnencreme, Regenschutz, Getränk, Handy, Geld, Lesebrille, Kamera etc. 
Stefan kann es gar nicht fassen, dass ich zusätzlich zum eigenen Körper- Übergewicht auch noch diese Pfunde mit mir den Berg hoch schleppe. Er fährt natürlich "pur", und greift nur gelegentlich beim Flüssigkeitsausgleich auf meine Wasservorräte zurück. Wen wundert's, dass dieser schlanke Endfünfziger mich am Berg stehen lässt. Aber ich argumentiere dann mit der größeren Masse,die mir bergab Flügel verleiht. Da habe ich allerdings eine herbe Niederlage einstecken müssen, denn das Pricebike ist auch bergab schneller als meine Schnäppchen Kutsche.
Das Single Trail fahren gab einen echten "Kick". Vielleicht war es Anfängerglück, jedenfalls überstand ich die Abfahrt ohne Sturz. Und auch beim Abwärtsjagen auf der schmalen Bergstraße ist bisher nichts passiert, obwohl die Kurven recht eng und die Abhänge steil sind. Der tollkühne Stefan fährt voran, und ich habe keine Chance, ihn einzuholen. Ich muss daheim wohl doch mal mit einer gründlichen Fahrzeugpflege für bessere Laufeigenschaften sorgen. 
Immerhin klagte Stefan über Muskelprobleme und musste sich am nächsten Tag erholen, während ich mir die Erholung am Patrusg See erst nach erfolgreich bewältigten 300 Höhenmetern genehmigte. Dort hatte sich die Familie zum Picknick mit Grillen zusammengefunden.
Das Seelein, obwohl 1600 m hoch gelegen, hat aufgrund des heißen Wetters angenehme Badetemperatur, und auch ein Floss steht zur unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung.
Am nächsten Tag erarbeitete ich mir 450 Höhenmeter um 6 Uhr früh, bevor ich mit Stefan so gegen 11 Uhr von Mistail nach Rhäzuns fuhr. Eine tolle Tour mit allem, was das Radlerherz begehrt: Tunnelfahrten ohne Licht und Luftverlust im Vorderreifen. Auch wenn Stefan wieder mal "Single Trail" im Flachland fuhr: Ich fand den Weg nach Rhäzüns auch ohne ihn. Allerdings verpasste ich die Romanische Kapelle und wartete im Café bei der Dorfkirche auf das Eintreffen der Restfamilie. Die waren nämlich mit Auto unterwegs und konnten unsere Räder abends huckepack wieder auf den Heinzenberg bringen.
Am Donnerstag ging's mit dem Fahrrad durch die Viamala Schlucht nach Andeer ins Thermalbad. Herrlich muskelentspannend das Ganze, mit UW- Massage und Entspannungsliegen im Whirlpool.
So fühlte ich mich gut vorbereitet für meinen persönlichen "Single Trail" am Freitag.
 Der Albulapass ragt schon seit Jahren als Monument des Leidens in meiner persönlichen Heldenwelt auf. Meine Fahrradkumpel Martin und Steffen fahren ihn jedes Jahr (zusammen mit Julierpass), und ich hatte ein Mitwirken bei dieser Unternehmung bisher stets aus Konditionsgründen abgelehnt. Doch diesmal wollte ichs wissen - ganz allein, um bei einer Niederlage keinen Spott ertragen zu müssen. 
Doch nach vier Stunden wars geschafft und der Albula besiegt.


Sonntag, 7. Mai 2017

Zurück von Polen - 5. Mai 2017

Wieder sitze ich in dem gleichen Billig Reisebus, in dem ich vor einer Woche den Polen-Blog begonnen habe. Inzwischen weiß ich, dass es kein chinesischer sondern ein italienischer 3 Sterne Billig Bus ist. Die Marke Fiat steht auch bei Bussen für beweglichen Schrott.
Unsere Parallel Reisegruppe aus dem Schwäbischen hatte dagegen einen 4 Sterne Mercedes Bus zur Verfügung mit größerer Sitzfreiheit bei geringerer Personenanzahl. Nicht nur beim Reiseleiter auch beim Bus hatten die Badener die Arschkarte gezogen.
Immerhin erwies sich unser Busfahrer Alexander als Großer. Wir sehen ihn oben aus dem Bild sprinten.
Gestern machten wir uns von Galizien aus auf den Rückweg. Acht Stunden Fahrtzeit mit Pausen dauerte es, bis wir am Nachmittag in Breslau eintrafen. Mit einem sehr guten Stadtführer besichtigten wir die im Krieg stark zerstörte "Festung Breslau". Entsprechend befindet sich viel Neues neben dem Alten. Mir gefäll dieses Neneneinander von Tradition und Moderne.
Oben der Rynek, unten die neue Konzerthalle. Wir besichtigten die Dominsel und beschlossen die Stadtführung mit einem Abendessen im Schweidnitzer Ratskeller, einem traditionellen Speiselokal, in dem schon Yeti und Pleti gegessen haben.
Den Schnaps, der uns würdevoll kredenzt wurde, müssten wir übrigens bezahlen.
Das neue Wahrzeichen von Breslau sind die Zwerge, von denen es fast 300 unterschiedliche Bronzefiguren im Stadtbild gibt. Die Geschichte dazu ist diese:
Gegen Ende der kommunistischen Herrschaft Anfang der Neunzigerjahre gingen junge Menschen auf die Straßen im roten Zwergenkostüm und verspotteten die Machthaber mit Parolen wie "Zwerge aller Länder vereinigt  euch". Aus diesem Protest entstanden die Breslauer Zwerge. Einige der damaligen Protestler sitzen heute im Stadtrat. Die Künstlerin, welche die Bronzefiguren herstellt, ist durch diese Geschäftsidee reich geworden.
Am Abend landete ich dann doch noch in einem Jazzlokal, dem Vertigo nahe des Rynek. Bei einem gemütlichen Bier und traditioneller Bluesmusik ließ ich die Polenreise ausklingen. Alles in allem - trotz Bus und Reiseleiter -  war es eine schöne Zeit.

Mittwoch, 3. Mai 2017

Mit Bahn und Schiff durch die Waldkarpaten - 3. Mai 2017

Am letzten Tag in Polanczyk standen noch zwei besondere Schmankerl an: Mit der Waldbahn von Cisna nach Majdan und eine Fahrt mit dem Schiff auf dem Solina See. Beides war klasse, und ich zeig euch ein paar Bilder dazu.
Dann waren wir auch noch in einer Holzkirche, die ehemals griechisch-orthodox war und nach der Vertreibung der Ruthenen katholisch genutzt wird. Diese Kirche wurde gleichwohl im Ursprungszustand belassen, deshalb ist sie so schön.
Hinter dem Altar befindet sich noch die Ikonostase. Es gibt auch noch ein sehr schönes Mutter-Gottes Bild aus dem 17. Jahrhundert und einen sitzenden Jesus aus der Jetztzeit.
Nur schade, dass einer aus unserer Gruppe die Glocke aus Spaß läutete. Daraufhin wäre beinah das ganze Dorf wegen Feuergefahr herbeigeeilt.
Übrigens auch die Friedhöfe sind in ihrer farbigen Pracht sehenswert.

In Galizien unterwegs

Unser Unterkunftsort Polanczyk erwies sich als touristische Einöde. Eine Kuranstalt reihte sich ans nächste Kurhotel, und nirgendwo gab es ein Spa oder wenigstens ein Schwimmbad. Auch Musikkneipen suchte ich vergeblich, und die Cafés boten die gleiche trübe Brühe an, die ich von unserem Hotel her kannte.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als brav alle angebotenen Tagesausflüge in der Gruppe mitzumachen. Die allerdings lohnten sich.
Am ersten Tag fuhren wir nach Kalwaria Paclawska, neben Tschenstochau einem der bekanntesten Wallfahrtsorte in Polen. Dort wirkt ein wundertätiges Madonnenbildnis, dessen Herkunft ungeklärt ist. 
Die dort lebenden Franziskaner verwalten einen schwungvollen Pilgertourismus und haben dazu einen Teil des Klosters in ein Hotel verwandelt. Die Pilger können sich an den Verkaufsständen vor dem Kloster mit Devotionalien der verschiedensten Art ausrüsten.
Wir besuchten als nächstes Przemysl, die südöstlichste Kreisstadt Polens im Dreiländereck mit der Ukraine und der Slowakei . Dort verläuft die Hauptschmuggelroute aus der Ukraine und ich hatte vage auf einen günstigen Zigaretteneinkauf gehofft. Meine Hoffnungen blieben unerfüllt. Dafür genehmigte ich mir wieder einen üppigen Schokoladenkuchen mit Capucchino.
Przemysl ist übrigens die einzige Stadt Polens, die zwei Erzbischöfe und zwei Kathedralen hat, und zwar römisch-katholisch und griechisch-katholisch. Der griechische Katholizismus erkennt im Unterschied zu den griechisch Orthodoxen den Papst als Oberhaupt an. 
Die letzte Station des ersten Tages war das Renaissance Märchenschloss Krasiczyn. Wir wurden von einer kompetenten Dame herumgeführt und erfuhren Interessantes über seine Geschichte. Das mit der kompetenten Dame erwähne ich deshalb, weil sich unser Reiseführer durch größtmögliche Inkompetenz und Ungeschicklichkeit auszeichnet.
Das Schloss wurde im Renaissance Stil erbaut, im Krieg als Bastion verteidigt, nach dem Krieg von den Russen geplündert und vor 10 Jahren mit Hilfe europäischer Hilfe renoviert.
Zum Schloss gehört auch eine sehr schöne Parkanlage mit seltenen Bäumen. Beim Gingko Baum stand geschrieben, man müsse selbigen dreimal umrunden, dann würden sich die geheimen Wünsche erfüllen. Geschrieben - Getan! Doch jetzt frage ich mich, welche Wünsche sich erfüllen werden. Ich kenne sie nicht, sie sind ja geheim!

Dienstag, 2. Mai 2017

Drei Tage am Solina See in Galizien

Als ich abends ins Hotel kam, war meine Reisegruppe noch nicht da. Eine Stunde später kamen sie niedergeschlagen von ihrem Ausflug in die Hohe Tatra zurück. Alles war schiefgegangen. Und das Schlimmste: ein slowakischer Flößer hatte sein Leben verloren. Er war vom Floss gestürzt und sechs meiner Reisegruppe hatten hilflos mit ansehen müssen, wie er in immer kürzeren Abständen vom reißenden Wasser in die Tiefe gezogen wurde und bald gar nicht mehr auftauchte. 
An Bord befanden sich weder Schwimmwesten noch Rettungsringe. Das Verhalten der Flößer sei unverantwortlich und leichtsinnig gewesen. Alle waren geschockt.
Am nächsten Tag ging es um 8 Uhr weiter nach Osten an die Grenze zur Ukraine. Wie hatte ich mich auf diesen Teil der Reise gefreut! Galizien, da waren viele Bilder in meinem Kopf, von den aschkenasischen Juden im Schtettl, von schöner Landschaft und großer Armut.
Wir fuhren über gut ausgebaute Landstraßen durch eine grüne Landschaft mit reizvollen Bergen und Tälern, mit Flüssen und hübschen Häuschen mit Vorgärten. Alles sehr gepflegt, ja geradezu idyllisch. Nicht ganz das, was ich mir vorgestellt hatte. Woher stammte der plötzliche Wohlstand?
Eine Mitfahrerin meinte, das Geld stamme von den Spargelstechern aus Deutschland, die ihre eigenen Felder von ukrainischen Gastarbeitern bestellen ließen, und so immer noch den halben Lohn für die Hausrenovierung verwenden könnten.
Kein Vergleich mit den verwahrlosten Zuständen, die ich letztes Jahr im Riesengebirge erlebt hatte.
Gegen Mittag machten wir Rast in Sanok, einem Städtchen mit hübscher Altstadt. Der brave Soldat Schwejk hatte 1914 ebenfalls dort Rast gemacht. Welch glücklicher Zufall, dass zwei hübsche Mädchen sich den Platz neben Schwejk mit mir teilten.
In einem hübschen Café speiste ich köstlich Piroggen und Griesspudding. Überhaupt, das Essen. Bisher schmeckt es mir hervorragend, Süßes wie Salziges. An Fett allerdings fehlt es der polnischen Küche nie.
Die Fotos oben entstanden beim Spaziergang durch Sanok.
Welch schöne Überraschung, als mir dann im Hotel Atrium ein Einzelzimmer zugeteilt wurde, obwohl ich doch nur ein halbes Doppelzimmer gebucht habe.


Montag, 1. Mai 2017

Mein freier Tag in Krakau

Gestern hatte ich mir einen freien Tag genommen und war um 12 Uhr auf eigene Faust in die Stadt gefahren.
Schon der Weg zur Straßenbahnhaltestelle war mir "ungeführt" ein Vergnügen. Auch das erste Mal den ÖPNV benutzen stimmte mich euphorisch - auch, wenn ich eine falsche Tram erwischte.
Übrigens die ganz alten Trams heißen in Krakau "Helmuts", weil sie 1991 von Helmut Kohl aus alten Nürnberger Beständen der Stadt Krakau zum Geschenk gemacht worden war. Ich erwischte eine neue Tram und gondelte damit durch die Stadt, bis ich irgendwann - oh Wunder - genau da ankam, wo ich hinwollte, in Kasimierz.
Kasimierz ist der Stadtteil von Krakau, in dem vor dem 2. Weltkrieg 64000 Juden wohnten. Das war ein Drittel der Bevölkerung Krakaus. Die Nazis deportierten die Juden zunächst ins Ghetto und später in die Vernichtungslager. Heute leben noch 180 Juden in Krakau.
Das alte Judenviertel verkam unter dem Sozialismus zur Schmuddel Ecke und wird seit den 90iger Jahren konsequent zum touristischen Blickfang ausgebaut. Die Alte Synagoge dient heute als Museum. Eine Unzahl von Musik Kneipen mit Klezmer Musik, von Galerien, Bars und Restaurants erinnern an die vergangenen Zeiten. Man kann sich wirklich gut aufhalten in den Gassen von Kasimierz.
Ich entdeckte das im jüdischen Stil geführte Café Cheder, und fühlte mich sofort wohl. Ich aß köstlichen Humus
..... und danach noch Zitronenkuchen und Capucchino. Es war wunderbar. Am Nebentisch residierte eine deutsche Reisegruppe bei arabischem Kaffee. Der Leiter dozierte fast eine halbe Stunde lang über jüdisches Brauchtum - und machte mir einmal mehr dadurch klar, wie schön es ist, "ungeführt" das Fremde zu entdecken.
Auch besuchte ich die "Alte Synagoge" wie viele andere vorwiegend deutsche Gäste. Auch dort war es polnisches Personal, welches mich beim Eintrittsgeld bemogeln wollte. 
Wieder fuhr ich mit der Straßenbahn von Kasmierz aus ins Zentrum. Wieder machte ich so manchen Umweg, sah aber auf diese Weise mehr von Krakau als nur die Altstadt, die von einem grünen Ring aus Parkanlagen umgeben ist. Es war Sonntag, und eben hatte ein Marathonlauf stattgefunden. Die Stadt befand sich wie im Fieber. Überall fröhliche Menschen, die durch die Straßen und Parks flanierten.
Auf den Weichselwiesen war Jahrmarkt. Gerade noch konnte ich der Versuchung widerstehen, eine fette polnische Bratwurst zu probieren, aber bei den Oscypeks und den Obwarzaneks war ich machtlos. Diese Spezialitäten schmecken einfach zu gut! 
Im Park gab es eine Fotoausstellung über Papst Franziskus. Auch Johannes Paul war wieder verewigt.
Die Stadt zeigte sich mir von ihrer schönsten Seite. Auf dem Rydek wurden beim Casting künftige Fernsehstars gesucht. Schade, dass ich da nicht mitmachen konnte.
Die Lebendigkeit der Stadt begeisterte mich. Hierhin will ich noch einmal mit mehr Zeit zurück kehren.