Mittwoch, 16. Dezember 2015

Shanghai und danach

Auch wenn es kein erfreuliches Thema ist: Über die Gelenkschmerzen muss ich noch ein bisschen schreiben. Kurz vor der Reise hatte ich ein ISG-Syndrom, ein Iliosacralgelenks-Syndrom, welches mir einige Sorgen bereitete. Gut ausgerüstet mit Voltaren und einer Rückenbandage bekam ich die Gelenke in den Griff. So eine Rückenbandage ist wirklich Gold wert. Obwohl ich damit viel dicker aussah, als ich bin, hatte ich mich doch bald so daran gewöhnt, sie mir unter die Kleidung zu stopfen, dass ich fast gar nicht mehr "ohne" herumlaufen wollte.
So stapfte ich also dickbäuchig und -rückig durch Shanghai und allmählich konnte ich mich wieder für anderes interessieren als dafür, wo es gerade wieder zwickt. Am zweiten Tag besuchten wir morgens das Jadebuddhakloster. Unser Reiseführer Lee wusste interessantes über ihn zu berichten. Der Tempel ist noch nicht sehr alt. Vor etwa 100 Jahren brachte ein Reisender aus Birma zwei Jadeskulpturen als Geschenk nach Shanghai, und seitdem existiert der Tempel. In der ersten Zeit der Volksrepublik war Religion jeglicher Art verpönt. Entsprechend führte das Kloster ein armseliges Dasein. Doch seit der Wende der kommunistischen Partei nach dem Tod Maos 1978 ist Religion wieder aufgeblüht, und auch der Jade Tempel hat von dieser Blüte stark profitiert. Es gibt wieder eine ganze Reihe von finanzstarken Unterstützern und viele Gläubige, die sich nach der Erfüllung ihrer materialistischen Wünsche wieder dem Spirituellen zuwenden. Ein reges Klosterleben hat sich entwickelt, und der buddhistische Ritus ist äußerst lebendig. Wir sahen viele Gläubige, die Räucherstäbchen abbrannten, Spenden abgaben oder das Kloster durch den Kauf von Preziosen unterstützten.
Nach einem eher durchschnittlichen Mittagessen am "Bund" flanierten wir durch die Nanjing Road, die Haupteinkaufsstraße von Shanghai. Es erinnerte mich an Singapur, war aber nicht ganz so protzig. Das Bedürfnis der Marken, sich zur Schau zu stellen, und das Bedürfnis der Arrivierten, ihren Reichtum zu präsentieren führt zu solchen Konsum Tempeln. Wie Andächtige drängten sich die Fans im Apple Store, um ihre verehrten Elektronik Produkte anzubeten. Bei Huawei sah es ähnlich aus. Auch Lamborghini und Ferrari haben eine Niederlassung in Shanghai. Kein Wunder, ist dort doch zur Zeit die größte Ansammlung von Millionären zu finden.
Auch eine Vielzahl von Millionären verschwindet innerhalb der 22 Millionen Bevölkerung von Shanghai. Die restlichen Chinesen, die es noch nicht zum Millionär geschafft haben, wohnen in Wohntürmen, wie ich sie nur in China gesehen habe. Nadelspitz recken sie sich, dicht nebeneinander stehend, vierzig Stockwerke hoch in den Himmel. Oft mit schneller Maurer Kelle hochgezogen, dienen sie nicht Banken und Großfirmen als Aushängeschild, sondern sind mit kleinen Fenstern und Balkons versehen Wohnquartier für Bevölkerungsmassen. Der Zahn der Zeit nagt oft schon kurz nach Fertigstellung an diesen Betongräbern. Unser Reiseführer Lee räumt ihnen nur eine Lebenszeit von 40 Jahren ein. Was wird dann passieren, wenn die 400 Millionen Chinesen, die jetzt in diesen Wohntürmen hausen, neuen Wohnbedarf haben?
Am Nachmittag wandelten wir durch die renovierte "Altstadt". Diese wurde völlig neu nach alten Vorlagen aufgebaut und ist so eine Art chinesische Disneyworld. Wir schauten uns den mitten darin gelegenen Yu Yuan Garten an, und danach genehmigte ich mir einen Kaffee bei Starbucks. 
Am Abend dann konnten wir fakultativ den Akrobatik Zirkus ERA besuchen. Und das war wirklich Klasse. Die Akrobatikshow ist die Beste in China, sagt Lee, und auch, wenn ich die anderen nicht kenne, ich neige dazu, ihm recht zu geben. Was die Chinesen akrobatisch draufhaben ist unglaublich. Aber darüber hab ich ja schon gebloggt 
Dann bin ich abends allein in ein chinesisches Restaurant gegangen. Die Speisen waren auf der Karte bebildert und mit Preisen versehen. So fühlte ich mich beim Bestellen relativ sicher. Ich musste ja nur aufs Bild deuten. Dennoch blieb die Überraschung nicht aus. Sowohl die Enten- als auch die Hühnerteile waren mit feingehackten Knochenresten durchmischt. Wie sollte ich das essen?
Es wurde eine üble Schmiererei. Machte aber nichts, da ich sowieso der einzige Gast war.
Mit den Stäbchen hab ich nur ganz am Anfang gegessen, und es dann schnell aufgegeben. Pia würde sagen, wer schon mit Messer und Gabel nicht anständig essen kann, sollte es mit Stäbchen gar nicht erst versuchen.
Am Montag gings dann auf den Zug nach Yichang. Da ist uns China schon meilenweit voraus. Der Bahnhof ist so groß wie ein Flughafen. Man kann ihn nur durch eine Sicherheitskontrolle betreten. Und die Schnelligkeit des Reisens ist enorm. Mit sieben Zwischenhalten erreichten wir unser 1125 km entferntes Ziel Yichang in knapp sieben Stunden. Reisegeschwindigkeit 250 km/h. Und von dort aus gings auf unser 5 Sterne Kreuzfahrtschiff Century Sun. Aber davon später.

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